EU-Verordnung über das Verbringen und die Einfuhr von Kulturgütern
Zielsetzung
Die EU-Einfuhrverordnung dient dem Schutz des kulturellen Erbes von Herkunftsstaaten außerhalb der Europäischen Union. Während sich die EU aufgrund des offenen Binnenmarktes bereits vor mehr als 25 Jahren für die Ausfuhr von Kulturgut aus der EU verbindliche gemeinsame Regeln gegeben hat, hat mit der Verordnung (EU) 2019/880 nunmehr auch die Einfuhr in die EU eine einheitliche Regelung erfahren. Ziel ist es, die Verbringung und damit den Absatz unrechtmäßig aus ihren Herkunftsstaaten ausgeführter Objekte in der EU zu erschweren.
Auch die immer wieder geforderte Angleichung von Wettbewerbsbedingungen innerhalb des europäischen Kunsthandels kann durch die Vereinheitlichung von Einfuhrstandards gefördert werden.
Anwendungsbereich der Verordnung
Die EU-Einfuhrverordnung gilt ausschließlich für Kulturgut, das seinen Ursprung außerhalb der Europäischen Union hat. Kulturgüter, die im Zollgebiet der Union geschaffen oder entdeckt wurden und nach Europa zurückkehren, sind vom Anwendungsbereich nicht erfasst.
Welche Kulturgüter konkret unter welchen Bedingungen den Bestimmungen der Einfuhrverordnung unterfallen, bestimmt die Verordnung differenzierend für ihre verschiedenen Regelungsbereiche. Dabei ist jedem dieser Regelungsbereiche ein entsprechender Anhang zugeordnet. Diese Anhänge bestimmen jeweils die Kulturgutkategorien, für die die zugehörigen Regelungen der Verordnung gelten sollen und enthalten zum Teil (alters- und wertbezogene) Zusatzmerkmale, die ebenfalls erfüllt sein müssen.
Abgestufte Einfuhrregeln: vom Verbringungsverbot zum Selbsterklärungsverfahren
Die EU-Einfuhrverordnung sieht ein abgestuftes Regelungskonzept vor, bestehend aus:
• einem (alters- und wertunabhängigen) Verbringungsverbot für illegal aus ihren Herkunftsstaaten ausgeführte Kulturgüter (Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang Teil A der Verordnung. Dieser Grundsatz ist vergleichbar mit dem Einfuhrverbot des deutschen Kulturgutschutzgesetzes),
• einem Einfuhrgenehmigungserfordernis für archäologisches Kulturgut und für Bestandteile von Baudenkmälern jeweils wertunabhängig ab einem Alter von 250 Jahren (Artikel 4 in Verbindung mit Anhang Teil B der Verordnung) und
• einer Einführerklärung für weitere, als weniger gefährdet eingestufte Kulturgutkategorien ab einem Alter von 200 Jahren und einem Wert von 18.000 Euro. Die Erklärung setzt sich zusammen aus der Registrierung einer Objektbeschreibung und einer Erklärung des Einführenden über die legale Herkunft des Kulturgutes (Artikel 5 in Verbindung mit Anhang Teil C der Verordnung).
Das Verbringungsverbot formuliert einen allgemeinen Grundsatz, Einfuhrgenehmigungsverfahren und Einführererklärung erfordern dagegen ein aktives Tätigwerden des Einführers. In beiden letztgenannten Fällen müssen diese Verfahren der Zollabwicklung vorgeschaltet werden.
Inkrafttreten und Anwendung
Das Verbringungsverbot tritt zum 28. Dezember 2020 in Kraft. Für die Einfuhrgenehmigungs- und Erklärungsverfahren entwickelt die Europäische Kommission ein elektronisches System, das Wirtschaftsbeteiligten, Genehmigungsbehörden und Zoll eine vollständig digitale Umsetzung der neuen Verfahren ermöglicht. Daher werden diese Verfahren erst zur Anwendung gelangen, wenn die erforderlichen technischen Vorbereitungen abgeschlossen sind. Gesetzliche Frist hierfür ist der 28. Juni 2025.
Maßstab der rechtmäßigen Einfuhr und Verfahrenserleichterungen
Die EU-Einfuhrverordnung trägt dem im Kulturgutschutz üblichen Herkunftsstaatsprinzip Rechnung, d.h. die Rechtmäßigkeit der Einfuhr in die EU knüpft grundsätzlich an die Rechtmäßigkeit der Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat (nicht eines etwaig davon zu unterscheidenden Exportstaates) an. In bestimmten Fällen gewährt die Verordnung jedoch eine Ausnahme von diesem Prinzip und erlaubt für die Beurteilung der rechtmäßigen Ausfuhr die Anknüpfung an das Recht eines Exportstaates, der nicht mit dem Herkunftsstaat übereinstimmt.
Diese Ausnahmetatbestände umfassen die Fallgruppen
• „Herkunftsstaat unbekannt“ sowie
• „Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat vor dem erstmaligen Inkrafttreten des UNESCO-Übereinkommens“, d.h. vor dem 24. April 1972.
In beiden Fällen wird der Nachweis gefordert, dass das betreffende Kulturgut mindestens fünf Jahre in dem herangezogenen Exportstaat belegen war. Letzteres dient der Vermeidung der gezielten Auswahl schwacher Rechtssysteme für den Export in die EU.
Eine Verfahrenserleichterung beinhaltet die EU-Einfuhrverordnung für Kunstmessen: auch solche Kulturgüter, die nach Kategorie und Alter grundsätzlich einer Einfuhrgenehmigung bedürfen, können zum Zwecke der Schau auf Kunstmessen vorübergehend unter dem Selbsterklärungsverfahren eingeführt werden. Erst im Falle des Verbleibs der betreffenden Objekte in der EU (z.B. aufgrund eines Verkaufs) muss das Einfuhrgenehmigungsverfahren nachgeholt werden. Es entfällt, wenn die Kulturgüter nach der Messe wieder ausgeführt werden, also nicht in der EU verbleiben.
Umgekehrt sollen Kulturgüter, die die EU nur vorübergehend verlassen (etwa für Vorabbesichtigungen in der Schweiz) als Rückwaren im Sinne des Unionszollkodexes auch dann von den Einfuhrbestimmungen befreit sein, wenn sie als ursprünglich nicht in der EU entstandene oder aufgefundene Objekte dem Anwendungsbereich der Einfuhrvorschriften eigentlich unterfielen.
Zuständigkeit und Verfahren
Die künftigen Einfuhrgenehmigungen nach Artikel 4 EU-Einfuhrverordnung erteilen die nach Artikel 2 Absatz 5 EU-Einfuhrverordnung von den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten zu bestimmenden nationalen Behörden. Diese werden im Amtsblatt der Europäischen Union (Reihe C) veröffentlicht.
Das Selbsterklärungsverfahren nach Artikel 5 EU-Einfuhrverordnung können Einführende selbstständig im Rahmen des künftigen elektronischen Systems abwickeln. Einzelheiten des Verfahrens werden in einem von der EU-Kommission zu erlassenden Durchführungsrechtsakt zur Verordnung festgelegt.
Sanktionen
Sanktionen wegen Verstößen gegen die Bestimmungen der EU-Einfuhrverordnung richten sich nach nationalem Recht.